Regeneration
15. November 2024

Fit nach einem Bandscheibenvorfall

 

 

Symptome meines Bandscheibenvorfalls

Ein Bandscheibenvorfall? Das passiert doch nur Möbelpacker*innen oder Menschen, die ständig schwere Lasten in ungünstiger Körperhaltung heben – dachte ich zumindest früher. Also achtete ich darauf, beim Heben schwerer Kisten immer schön in die Knie zu gehen und war überzeugt, damit mein Risiko auszuschließen.

Doch dann schlichen sich erste Rückenschmerzen ein. Zuerst verspannte sich der obere Rücken, und irgendwann begann es auch im unteren Rücken unangenehm zu ziehen. Zunächst schob ich die Beschwerden auf meinen Alltag als Mutter: Mein Sohn war ein echtes „Tragebaby“. Über ein Jahr lang trug ich ihn durch den Alltag und regelmäßig die Treppen hinauf bis in unsere Dachgeschosswohnung. Ein paar Massagen würden das Problem schon richten, dachte ich – und tatsächlich verschafften sie mir kurzzeitige Erleichterung. Doch die Schmerzen kehrten immer wieder zurück.

Eines Tages verschlimmerten sich die Beschwerden jedoch ausgerechnet während einer Massagesitzung drastisch. Plötzlich schoss der Schmerz vom unteren Rücken bis ins Bein, und an normales Gehen war nicht mehr zu denken. Ich fand mich in einer Schonhaltung wieder, schob den Kinderwagen krumm durch die Straßen und hatte morgens Schwierigkeiten, mich über das Waschbecken zu beugen. Die Schmerzen waren so stark, dass mir oft die Tränen kamen. Bei einem Neujahrsspaziergang im Wald konnte ich nicht mehr weiterlaufen. Mein Partner musste mir einen Stock suchen, damit ich mich abstützen konnte.

 

Fehldiagnose Piriformis-Syndrom

Mein Orthopäde diagnostizierte mir zunächst ein sogenanntes „Piriformis-Syndrom“. Das Piriformis-Syndrom entsteht durch eine Reizung oder Entzündung des Piriformis-Muskels im Gesäß. Dieser Muskel kann den Ischiasnerv irritieren. Der Ischiasnerv (Nervus ischiadicus) ist der längste und dickste Nerv im menschlichen Körper. Er entspringt im unteren Rücken (Lendenwirbelsäule und Kreuzbein) und zieht durch das Gesäß bis in die Beine, wo er sich in kleinere Nerven verzweigt. Schmerzen entlang seines Verlaufs nennt man Ischias oder Ischialgie, oft durch einen gereizten oder eingeklemmten Nerv verursacht.

Ich war erleichtert: zum Glück kein Bandscheibenvorfall! Ich begann eine Physiotherapie. Aber die auf das Piriformis-Syndrom ausgerichteten Übungen brachten keine Linderung meiner Beschwerden. Im Gegenteil, ich hatte das Gefühl, dass es nur noch schlimmer wurde.

Schließlich riet mir meine Physiotherapeutin zu einem MRT (Magnetresonanztomographie). Diese Untersuchung liefert mithilfe von Magnetfeldern und Radiowellen detaillierte Bilder vom Inneren des Körpers, insbesondere von Muskeln, Nerven und Bandscheiben. Ohne die Belastung durch Röntgenstrahlung ermöglicht das MRT eine klare Diagnose. Mit einer Überweisung in der Hand gelang es mir, einen kurzfristigen Termin zu bekommen. Das Ergebnis brachte endlich Klarheit: Ein Bandscheibenvorfall zwischen den Wirbeln L4 und L5.

Ein Bandscheibenvorfall L4/L5 bedeutet, dass die Bandscheibe zwischen dem vierten und fünften Lendenwirbel (L4 und L5) im unteren Rückenbereich beschädigt ist. Die Bandscheibe ist in diesem Bereich vorgewölbt oder sogar gerissen, was Druck auf umliegende Nerven ausüben kann. Dies führt oft zu Schmerzen im unteren Rücken, die bis ins Gesäß und ins Bein ausstrahlen können, da die Nerven, die in die Beine führen, hier verlaufen.

 

Was sind Bandscheiben?

Bandscheiben (Zwischenwirbelscheiben) sind flexible, scheibenförmige Strukturen, die zwischen den einzelnen Wirbeln der Wirbelsäule liegen. Sie bestehen aus einem weichen, gelartigen Kern (Nucleus pulposus) und einem festen, faserigen Außenring (Anulus fibrosus). Diese Struktur macht sie elastisch und belastbar.

Stoßdämpfung

Bandscheiben wirken als natürliche Stoßdämpfer, indem sie Druck und Stöße abfedern, die zum Beispiel beim Gehen, Springen oder Heben auftreten. Dadurch schützen sie die Wirbel vor Abnutzung und Verletzungen.

Beweglichkeit der Wirbelsäule

Sie ermöglichen der Wirbelsäule, sich zu biegen, zu drehen und zu strecken. Ohne die Bandscheiben wäre die Beweglichkeit der Wirbelsäule stark eingeschränkt, was zu steifem Rücken und eingeschränkter Mobilität führen könnte.

Gleichmäßige Belastungsverteilung

Bandscheiben helfen, die auf die Wirbelsäule wirkenden Kräfte gleichmäßig auf die Wirbel zu verteilen. So verhindern sie punktuelle Überlastungen, die zu Schäden oder Beschwerden führen könnten.

 

Ursachen eines Bandscheibenvorfalls

Ein Bandscheibenvorfall (übrigens auch Diskusprolaps genannt) entsteht, wenn der äußere Faserring der Bandscheibe reißt und der gelartige Kern nach außen gedrückt wird. Dadurch können Nervenwurzeln im Rückenmarkskanal gereizt oder eingeklemmt werden. Die Ursachen sind vielfältig.

Alterung und Abnutzung

Mit zunehmendem Alter verlieren Bandscheiben an Elastizität und Flüssigkeit. Dieser natürliche Verschleiß (degenerative Veränderungen) macht sie weniger belastbar und anfälliger für Risse oder Vorwölbungen.

Überlastung und falsches Heben

Wiederholtes Heben schwerer Lasten oder das Heben mit einer schlechten Technik (z. B. krummer Rücken) übt starken Druck auf die Bandscheiben aus, was zu einem Vorfall führen kann.

Fehlhaltungen

Längeres Sitzen, Stehen oder Arbeiten in ungünstigen Positionen erhöht die Belastung bestimmter Bereiche der Bandscheiben, was zu Schäden führen kann.

Verletzungen

Plötzliche, unkontrollierte Bewegungen, Stürze oder Unfälle können die Bandscheiben stark belasten oder direkt beschädigen.

Mangelnde Bewegung

Eine schwache Rumpfmuskulatur (Core-Muskulatur) führt zu einer instabilen Wirbelsäule, was die Belastung der Bandscheiben verstärkt und ihr Risiko für Verletzungen erhöht.

Übergewicht

Übermäßiges Körpergewicht erhöht den Druck auf die Bandscheiben, vor allem in der Lendenwirbelsäule, was den Verschleiß beschleunigt.

Genetische Veranlagung

Manche Menschen haben eine angeborene Bindegewebsschwäche oder andere genetische Faktoren, die sie anfälliger für Bandscheibenschäden machen.

Rauchen

Rauchen verringert die Durchblutung und damit die Nährstoffversorgung der Bandscheiben. Dies schwächt die Struktur der Bandscheiben und verlangsamt den Heilungsprozess bei kleinen Schäden.

Psychische Belastungen

Psychische Belastungen wie chronischer Stress, Depressionen oder Angststörungen können indirekt das Risiko eines Bandscheibenvorfalls erhöhen oder die Beschwerden verschlimmern.

Ernährung und Flüssigkeitshaushalt

Eine unausgewogene Ernährung, die nicht genügend Nährstoffe für den Aufbau von Bindegewebe liefert, oder eine unzureichende Flüssigkeitszufuhr kann die Regenerationsfähigkeit der Bandscheiben beeinträchtigen.

 

Erste Schritte nach einem Bandscheibenvorfall

Nun hatte ich also einen Bandscheibenvorfall, und schon schossen mir die schlimmsten Szenarien durch den Kopf. Bedeutete das nicht auch, dass ich mich operieren lassen musste? Ich geriet in Panik, da ich eine Operation um jeden Preis vermeiden wollte. Außerdem hatte ich in den letzten Wochen einiges falsch gemacht. Anstatt mich zu schonen, hatte ich unter starken Schmerzen noch intensiver Sport getrieben und Übungen gemacht, die die Schmerzen nur verschlimmerten. Dabei hätte ich es viel ruhiger angehen lassen und meinen Rücken entlasten sollen.

Verzweifelt wandte ich mich wieder an die Orthopädie. Dort riet man mir, die Schmerzen zunächst mit Schmerztabletten in den Griff zu bekommen, und beruhigte mich gleichzeitig. Eine Operation ist heutzutage bei einem Bandscheibenvorfall nicht mehr die Regel und wird nur in extremen Fällen in Betracht gezogen. Mit einer gezielten Physiotherapie und den richtigen Übungen ließe sich ein Bandscheibenvorfall meistens gut bewältigen. Zuerst musste ich jedoch die Schmerzen reduzieren, was ich nun mit Schmerzmitteln und Schonung angehen wollte. Aber im Bett liegen und gar nichts tun, das war nicht die Lösung. Sanfte Alltagsbewegungen sind wichtig, um die Durchblutung anzuregen und den Heilungsprozess zu beschleunigen. In der akuten Schmerzphase sollte der Fokus also auf Schonung, Schmerzreduktion und sanfte Mobilisationsübungen liegen. Ich begann eine neue Physiotherapieeinheit, die diesmal voll und ganz auf den Bandscheibenvorfall ausgerichtet war.

 

Maßnahmen, um nach einem Bandscheibenvorfall wieder fit zu werden

Nach einem Bandscheibenvorfall ist eine ganzheitliche Herangehensweise entscheidend, um die Genesung zu fördern und langfristig die Rückengesundheit zu stärken.

Psychische Gesundheit fördern

Wenn ich mich zurückerinnere, spielten psychische Belastungen eine tragende Rolle, die wahrscheinlich zu meinem Bandscheibenvorfall beigetragen haben. Vor kurzem war ich Mutter geworden, verbrachte den Alltag alleine mit einem Kleinkind und wollte parallel beruflich wieder einsteigen und ein "Business" aufbauen. Alles auf einmal führte jedoch zu erheblichem Stress und ließ mir kaum noch Zeit, mich selbst zu erholen. Die ersten Anzeichen von Rückenschmerzen ignorierte ich, genauso wie die Bedürfnisse meines Körpers und meiner Psyche. Ich war in meinem intensiven Alltag schlichtweg gefangen.

Dauerhafter Stress kann die Muskulatur dauerhaft anspannen, insbesondere im Nacken- und Rückenbereich. Diese Verspannungen erhöhen den Druck auf die Bandscheiben, wodurch das Risiko für Schäden steigt. Psychische Belastungen beeinflussen auch die Schmerzwahrnehmung: Menschen mit hoher emotionaler Anspannung empfinden Schmerzen oft intensiver und erholen sich langsamer. Deshalb ist es wichtig, die psychische Gesundheit aktiv in die Genesung einzubeziehen.

Ich setzte bewusst auf Stressmanagement und ein positives Mindset. Entspannungsverfahren wie progressive Muskelentspannung, Meditation und Yoga Nidra halfen mir, zur Ruhe zu kommen. Yoga Nidra, auch bekannt als „yogischer Schlaf“, versetzt den Körper in einen Zustand tiefer Entspannung, während der Geist wach bleibt. Diese Technik fördert nicht nur die Stressreduktion, sondern auch die körperliche und emotionale Heilung. Als die akuten Schmerzen nachließen, nahm ich auch sanftes Yoga in meine Routine auf, was nicht nur meinen Rücken, sondern auch meine mentale Gesundheit stärkte.

Gezielte Übungen und Physiotherapie

Bewegung ist nach einem Bandscheibenvorfall unverzichtbar, um die Rückenmuskulatur zu kräftigen und die Wirbelsäule zu stabilisieren. Ich wählte eine Physiotherapiepraxis, die auf ganzheitliche Ansätze spezialisiert war, und erhielt einen individuell angepassten Übungsplan. Dieser begann mit schonenden Mobilisationsübungen wie Beckenrollen oder leichten Dehnungen.

Mit der Zeit kamen Stabilisationsübungen hinzu, darunter der Unterarmstütz (Plank) und Übungen für die Rumpfmuskulatur. Besonders wichtig war die korrekte Ausführung, um Fehlbelastungen zu vermeiden. Schritt für Schritt spürte ich, wie mein Körper an Kraft gewann und Schmerzen weiter nachließen.

Langsamer Wiedereinstieg in den Alltag

Der Wiedereinstieg in den Alltag sollte behutsam erfolgen, um Rückschläge zu vermeiden. Für mich bedeutete das: Keine schweren Lasten heben und längeres Sitzen durch regelmäßige Bewegungspausen unterbrechen. Ich sorgte für eine ergonomische Sitzposition am Arbeitsplatz und nutzte jede Gelegenheit, um meinen Rücken zu mobilisieren.

Da mein Sohn inzwischen laufen konnte, musste ich ihn nicht mehr tragen, was eine enorme Entlastung war. Trotzdem blieb ich aktiv, ging spazieren und machte leichte Übungen, um die Durchblutung zu fördern. Hier galt: Lieber kleine, kontinuierliche Fortschritte als Überforderung.

Gesunde Lebensweise

Eine ausgewogene Ernährung spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Lebensmittel mit Omega-3-Fettsäuren, Antioxidantien und Vitaminen (wie Fisch, Nüsse und frisches Gemüse) unterstützen die Regeneration der Bandscheiben. Auch eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist wichtig, um die Bandscheiben mit Feuchtigkeit zu versorgen.

Während der stressigen Zeit vor meinem Bandscheibenvorfall hatte ich meine Ernährung oft vernachlässigt. Ich begann wieder bewusster zu essen, indem ich frisch kochte und auf eine abwechslungsreiche Ernährung achtete.

Weitere unterstützende Maßnahmen

ch profitierte auch von Massagen und manueller Therapie, um Verspannungen zu lösen. Wärmebehandlungen halfen, Schmerzen zu lindern, während ich durch Rückenschulungen lernte, wie ich rückenschonend heben und mich bewegen kann. Diese Kleinigkeiten im Alltag machten langfristig einen großen Unterschied.

 

Rückkehr ins Gym: Schrit für Schritt

Als meine Schmerzen nachgelassen hatten und ich ein stabiles Fundament aufgebaut hatte, wagte ich mich vorsichtig ins Fitnessstudio zurück. Ich begann mit lockerem Ausdauertraining auf dem Crosstrainer und leichtem Krafttraining. Übungen wie Rudern am Kabelzug, Plank-Variationen und Beinpressen halfen, meine Muskulatur weiter aufzubauen, ohne den Rücken zu überlasten.

Wichtig war, die Belastung langsam zu steigern und auf mein Körpergefühl zu achten. Ich nahm Warnsignale wie Schmerzen ernst und ließ mir von Trainer:innen die richtige Technik zeigen. Diese achtsame Herangehensweise war entscheidend, um langfristig wieder fit zu werden.

Nach rund einem halben Jahr war ich schmerzfrei und konnte mich wieder frei bewegen. Heute bin ich fitter denn je, denn mein Bandscheibenvorfall hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, auf meinen Körper zu hören und ein Leben in Balance zu führen. Bewegung, Stressmanagement und eine gesunde Ernährung gehören seitdem zu meinem Alltag – nicht als lästige Pflicht, sondern als Selbstfürsorge.

Früher habe ich Sport oft aufgeschoben. Heute weiß ich, dass ein starker, schmerzfreier Körper das größte Geschenk ist.

In diesem Sinne: Viel Spaß beim Training und bleib gesund!

Deine Esther